Schmetterlinge sind meine Leidenschaft

Wandert man in Österreich einen Waldlehrpfad entlang und erblickt auf den dortigen Infotafeln Fotos von Schmetterlingen, so stammen diese meist von Andreas Pospisil. Dabei war sein beruflicher Werdegang ein gänzlich anderer. Als Schlossermeister und Leiter seiner Firma hängte er aber mit 50 Jahren seinen Job „an den Nagel“, um sich gänzlich seiner Leidenschaft zu widmen: den Schmetterlingen.

Reinhard Kraus und Rainer Wisiak haben ihn zu seinen derzeitigen Arbeitsschwerpunkten, seinem Engagement zur Artenvielfalt sowie zu seinen Workshops an Kindergärten und Schulen befragt.


Interview mit Andreas Pospisil von Reinhard Kraus und Rainer Wisiak

Herr Pospisil, was ihr Wissen um Schmetterlinge betrifft, so haben Sie sich dieses autodidaktisch beigebracht. Angefangen hat aber alles mit ihrem Interesse für Fotografie … 

Ja, mit der Fotografie – und sicherlich auch damit, dass meine Großeltern am Wolfersberg, im 14. Wiener Gemeindebezirk, einen großen Garten gehabt haben. Schon damals war ich ein Kind, das sehr gerne beobachtet hat, das manchmal eine Stunde lang auf einem Gartensessel saß um herauszufinden, wohin die Mäuse rennen. 

Und mit 16 oder 17 Jahren ist dann auch das Interesse für die Fotografie dazugekommen. Schon damals waren es hauptsächlich Naturaufnahmen, Fotos von Insekten, die ich in meiner kleinen Dunkelkammer selbst entwickelt habe. Danach, als ich beruflich selbstständig geworden bin, meine Frau und ich ein Haus gebaut und zwei Kinder großgezogen haben, ergab sich für dieses frühe Interesse natürlich eine längere Pause.

Wann haben Sie dafür dann wieder „Feuer gefangen“?

Bei uns im Garten leben bis jetzt noch – Gottseidank! – sehr schöne Populationen vom „Großen Feuerfalter“. Als es dann um das Jahr 2000 herum die ersten Digitalkameras gab, habe ich mir eine zugelegt, diesen Falter fotografiert, die Fotos dann am Computer gesichtet und mir gedacht: Phantastisch!

Aber oft kommen ja mehrere Dinge zusammen. So habe ich etwa zu der Zeit bei einem Hüttenurlaub einen Falter fotografiert, den ich in keinem der üblichen Bestimmungsbücher, die man in Österreich zu kaufen kriegt, gefunden habe. Ich habe dann Kontakt mit Johannes Gillmann aufgenommen, einem Spezialisten für Schmetterlinge, der in Bezug auf meine Frage antwortete: „Das ist ein ‚Blauschwarzer Eisvogel‘, den suche ich schon seit zehn Jahren in der Steiermark!“ Ich habe dann gemerkt, dass ich ein gutes Gefühl und einen guten Blick für die Schmetterlinge habe und habe dann weitere Kontakte zu anderen Entomologen (Anm. Insektenforschern) wie zum Beispiel Rudolf Eis aufgebaut. So habe ich langsam „Feuer gefangen“. Da ich mich nicht nur auf die Falter konzentriert, sondern auch begonnen habe, sie in all ihren Entwicklungsstadien zu fotografieren, bin ich bald zu einem Spezialisten auf diesem Gebiet geworden und habe Dinge fotografiert, die noch niemand anderer zuvor so gesehen oder dokumentiert hat – das ist natürlich ein irrsinniger Ansporn.

Von Johannes Gillmann habe ich dann vor mehr als zwanzig Jahren auch die Homepage „schmetterlinge.at“ übernommen und sie komplett neu aufgesetzt. Es ist die einzige österreichische Homepage und ich lege sehr viel Wert darauf, dass meine Fotos auch alle aus Österreich sind.  

Dass man für diese Leidenschaft dann aber auch seinen Job „an den Nagel hängt“, ist schon etwas außergewöhnlich … 

Ja – da waren einige Menschen doch sehr verwundert, denn ich hatte immerhin eine Firma mit 15 Angestellten und einem entsprechenden Umsatz. Aber zum einen habe ich gemerkt, es geht mir gesundheitlich an die Substanz, zum anderen: Ich wollte ja etwas anderes haben als Geld! Ich habe mir dann ausgerechnet: Wenn ich jetzt alles verkaufe, genügt es dann, dass ich bis zur Pension hin sicher davon leben kann? Es war möglich – natürlich nicht ein Leben in Luxus, aber ich bin ohnehin ein eher bescheidener Mensch. Und dann war Zeit für so vieles, auch dafür, meine Leidenschaft weiterzugeben – denn schon in der Zeit, als ich noch die Firma hatte, war ich immer wieder mal im Kindergarten und habe versucht, den Kindern was zu zeigen. Ich habe mich immer wieder sehr gerne mit Kindern beschäftigt und gemerkt: das tut mir gut!

Was uns gleich zu den nächsten Fragen führt: Wenn Sie heute Kindergärten oder Schulen besuchen und dort Projekte anbieten und durchführen – worauf legen Sie dann ein Augenmerk? Und wie lässt sich all das mit den Faltern, die bei Ihnen zu Hause schlüpfen, koordinieren?

Im Prinzip ist es so: Wenn ich ein Projekt an einer Schule mache, hat dieses immer drei Teile. Ein erster Termin ist im März, also bevor es eigentlich losgeht. Da mache ich eine „Einführungsrunde“, das heißt: Ich nehme etwas mit, das ich den Kindern dann zeigen kann. Ich habe ja schon getrocknete Sachen genug – zum Beispiel Puppen. Von einem Bekannten, der gestorben ist, habe ich auch fünf Kästen mit präparierten und bekannten Tagfaltern geerbt – ich selber würde ja nie einen aufspießen!

Und wenn ich Glück habe, finde ich im Februar oder März sogar schon eine Raupe vom „Weißfleckwidderchen“, einem Bärenspinner mit entzückenden Raupen. Bei diesen ersten Treffen geht es um ganz allgemeine Sachen, die ich auch bei kleinen Filmen erzählen kann, von denen ich schon viele gedreht habe.

Im zweiten Teil – so im April oder Mai – gehe ich mit gerade geschlüpften Faltern in die Schulen. Anfang April schlüpfen die „Kleinen Nachtpfauenaugen“, die sind sehr „kooperativ“, vor allem die Weibchen – die können die Kinder dann in die Hand nehmen … dasselbe mit dem großen „Wiener Nachtpfauenauge“, das schlüpft dann halt erst Anfang Mai.

Und dann mache ich im dritten Teil noch eine Exkursion mit ihnen. Da muss ich aber schauen: Wo ist die Schule? Wo kann und darf man mit ihnen hingehen? Wo gibt es natürliche Flächen und Wiesen? 

Was möchten Sie den Kindern mit auf den Weg geben?

Das Wesentlichste ist: Interesse wecken! Interesse für das wecken, was vor unserer Haustüre ist. Ich sage immer, wenn du rausgehst und du findest ein Tierchen, egal ob groß oder klein, dann brauchst du nur über die Frage nachzudenken: Wo ist dieses Tier das ganze Jahr über? Und schon bist du eine ganze Weile mit den Antworten darüber beschäftigt, denn es ist ja nicht selbstverständlich, dass diese kleinen Käfer oder diese kleinen Ameisen das ganze Jahr über herumkraxeln … all das muss natürlich auf das Alter der Kinder abgestimmt sein. Ich möchte die Kinder dazu animieren, genauer hinzusehen und dann nachzudenken.

Ein anderes ist natürlich das „Vermitteln“. Ich komme ja immer mit Raupen in die Kindergärten oder Volksschulen – und die meisten Kinder haben auch keine Angst davor, selbst große Raupen in die Hand zu nehmen. Das gefällt ihnen, sie sehen, wie die Raupe frisst und sie verstehen: Eine Raupe ist auch notwendig. Ohne Raupe kein Schmetterling!

Dieses Kennenlernen und dieses Fühlen ist das Interessante und Wichtige – und wenn die Lehrerin oder der Lehrer engagiert ist, lasse ich ihnen einige Raupen – zum Beispiel vom „Kleinen Fuchs“ – dort und sie können diese züchten und schauen, wie sie noch vor Ferienbeginn schlüpfen. Da braucht es natürlich Brennnesseln im Garten und jemanden, der sich auch übers Wochenende darum kümmert. Es geht also darum, dass man diesen ganzen Zyklus erkennt, alle Entwicklungsstadien sieht und nicht nur das flatternde Tier – und damit Interesse weckt. 

Und letztlich geht es auch stets um ein kritisches Hinterfragen von Informationen, um nicht nur Gehörtes – wie beispielsweise „Raupen sind grausig!“ – zu übernehmen.

Wie viele Arten züchten Sie aktuell zu Hause?

Ich züchte so zwischen 30 und 40 Arten im Jahr – baue da aber auch schon ein bisschen ab, denn man kann sich schwer aufteilen 🙂 Wenn man züchtet, muss man relativ viel zu Hause sein und somit wird das Wegfahren dazwischen schwieriger. Aber ganz allgemein ist das Züchten schwieriger geworden, weil die klimatischen Bedingungen so viel schwieriger geworden sind. Ich züchte im Freien, denn ich habe ja die passenden Futterpflanzen im Garten oder in einem Topf. Aber jetzt sind im Wetterablauf so extreme Phasen drin, dass alles nicht mehr so gut funktioniert – vor allem das Überwintern der Falter, in den verschiedenen Stadien, ist schwieriger geworden!    

Stichwort „Insektensterben“ oder „Artenschwund“: Früher ist man mit dem Auto nach Hause gekommen und musste danach die Windschutzscheibe intensiv von Insekten reinigen. Das ist schon lange nicht mehr so und das bedeutet auch was … 

Dass sich die Anzahl der Tiere massiv verringert hat, ist allen bewusst. Ich sehe die Hauptprobleme bezüglich des allgemeinen Schwundes der Insekten im Verlust von artenreichen Flächen und vielfältigen, natürlichen Waldflächen, was nach wie vor nicht zu bremsen ist sowie eine Landwirtschaft, die immer intensiver bewirtschaftet.

Was würde helfen?

Die Umstellung auf biologische Landwirtschaft ist sicherlich ein Weg, wobei die Zertifizierung für „Bio“ meiner Meinung nach noch nicht weitreichend genug ist. „Blühstreifen“ zu errichten, was einige Gemeinden schon machen, ist sicherlich auch kein Fehler, aber eben nur ein kleiner Beitrag. Wichtiger wäre, dass man den Bauern und Bäuerinnen bei weniger ertragreichen, aber für Insekten außerordentlich wichtigen Flächen finanziell entgegenkommt, damit diese Flächen geschützt und gerettet werden können. Manches ist diesbezüglich im Entstehen … 

Allem Anschein nach zu langsam. Eine aktuelle Studie, welche die Situation der Insekten vor 30 Jahren und heute in Österreich miteinander vergleicht, hat gerade für viel Wirbel gesorgt. Österreichs Landwirtschaftsminister Totschnig hat die Studie so verkauft, als wäre eh alles in Ordnung. Die Studie besagt aber, dass eben NICHT alles in Ordnung ist, die „wärmebegünstigten Insekten“ etwa immer mehr die „Kälteliebenden“ aufgrund der Erderhitzung ersetzen und viele differenzierte Sichtweisen mehr. Aber politisch wird hinausposaunt: Es passt eigentlich eh, was wir in Österreich tun! Da gibt es auch einen Unterschied zu Deutschland … 

Da wäre der wichtigste Punkt sicherlich einmal die Trennung zwischen Landwirtschaft und Naturschutz – denn ein Naturschutz unter dem Ressort Landwirtschaft ist in etwa so, als würde man einen Esel in einen Gemüsegarten stellen. 

In Deutschland gibt es auch mehr Geld, da ist die Finanzierung des Naturschutzes eine ganz andere, da gibt es auch Pflegevereine, die unterstützt werden und so weiter. Bei uns ist das alles ganz schwer, um alles muss man kämpfen.

Ist da nicht das öffentliche Bewusstsein oft schon weiter als die Politik? In Bayern hatte beispielsweise 2019 das Volksbegehren „Rettet die Biene“ 1,7 Millionen Unterschriften und wurde das erfolgreichste Volksbegehren, das es in Bayern je gegeben hat. Wären solche Dinge in Österreich auch möglich?

Wenn es hier ein solches Bienen-Volksbegehren gäbe, kann ich mir schon vorstellen, dass viele Leute unterzeichnen würden – aber das sagt noch lange nichts darüber aus, ob deren Gärten bienenfreundlich sind oder so was. Da ginge es letztlich um eine gänzlich andere Grundhaltung … 

Sie meinen, da ist noch „viel Luft nach oben“?

Da ist noch sehr viel Luft nach oben. Grundsätzlich sollte man im eigenen Garten versuchen, nur heimische Pflanzen und Sträucher zu nehmen und zusätzlich einen Teil des Gartens natürlich zu belassen – wobei es nicht viel bringt, wenn das der letzte Fleck hinten im Garten ist. Man braucht schon einen Standort, wo die Sonne zumindest einen halben Tag lang hinscheint, wenn man für die Insekten wirklich was tun will. Und wenn man dort auch noch ein bisschen Holz ablagert, hat man schon viel getan. 

Manches ist halt auch mit Arbeit verbunden. So bringt es auch nichts, wenn ich mit einem Rasenmäher mähe, der alles in einen Sack reinsaugt – viel besser wäre es, das Gras zwei Tage liegen zu lassen und erst dann zusammenrechen … das würde schon vielen Lebewesen ein Überleben gewährleisten.

Das Traurige ist ja, dass man in den Gartencentern eigentlich fast keine heimischen Pflanzen mehr bekommt. Verkauft wird nur, was sich leicht vermehren lässt und womöglich nicht viele Schädlinge aufnimmt. Denken Sie nur an den Kirschlorbeer in jedem Garten!

Das wäre eine gute Überschrift für dieses Interview: Der Kirschlorbeer muss weg! Aber um zum Schluss nochmals auf das Thema „Leidenschaft“ zurückzukommen: Wie könnte man bei Kindern ein solches „Feuer entzünden“ oder am Lodern erhalten?

Ja – das Dranbleiben ist da eine wichtige Sache. Die Kinder in meiner Umgebung kommen zwar immer wieder mal vorbei und fragen „Hast wieder was zum Anschauen?“ oder sagen „Schau, was ich gefunden habe!“ Aber das verliert sich dann leider immer wieder. Meine Nachbarin ist Psychologin und ich habe sie gefragt: „Bitte, wann hört diese Neugierde auf, wann geht diese bei Kindern verloren?“ Und sie hat geantwortet: „Spätestens im dritten Volksschuljahr – weil da kommt der Leistungsdruck für Schüler und Lehrer, was bedeutet, dass wenig Zeit für die individuellen Interessen der Schüler bleibt!“ Und das ist so schade … 

Da ist wahrscheinlich eine Schule wie die eure eine bessere, wo auch stets ein fächerübergreifendes Lernen stattfindet und der Neugier mehr Raum zugestanden wird.

Und letztlich hat selbst der beste Lehrer oder die beste Lehrerin keine Chance, wenn nicht auch die Eltern mit an Bord sind! Wie bei allen Sachen geht es auch hier ums Vorleben – das prägt die Kinder am meisten. 

Weil es sonst immer nur ein kurzes Eintauchen in die Themen bleibt?

Ja. Deshalb wäre eine Mitarbeit beim Naturschutzbund oder bei kleinen örtlichen Vereinen so wichtig – weil die Kinder und Jugendlichen dort selbst „Hand anlegen“ können, ins TUN kommen, längerfristig Teil eines interessanten Netzwerkes sind und tiefer in die Themen eintauchen können.

Würden Sie auch einmal in der Lernwerkstatt ein Projekt anbieten?

Ich würde mir die Schule gerne einmal anschauen und vorbeikommen – das ist alles nur eine Frage der Einteilung 🙂

Wir freuen uns schon. Danke für das Gespräch.

Sehr gerne.