Es scheint geradezu bestechend einfach: Beziehung, das ist doch Kommunikation! Und kommunizieren können wir ja, wir Menschen. Bekanntlich ist es sogar ganz unmöglich, nicht zu kommunizieren. Es heißt, dass wir über unsere Gestik, Mimik, Körperhaltung sogar mehr, bzw. verlässlicher kommunizieren, als mit der Sprache. Nun, wer sich einmal im Ausland, der Landessprache unkundig, zu verständigen versucht hat, kann das vielleicht bestätigen. Das Wissen über Kommunikation und die mit ihr und durch sie verursachten Probleme würde wahrscheinlich Bibliotheken füllen. Dito jenes über Beziehungen. Die ernüchternde Evidenz zeigt: Selbst bei ähnlichem Wortschatz und Bildungsstand und sogar bei gleichem fachlichem oder beruflichem Hintergrund kann eine reibungslose Kommunikation nie garantiert werden. Missverständnisse, inhaltliche Mängel, gewollte oder versehentliche Zusatzbotschaften sind so allgegenwärtig wie herausfordernd. Wie ist es bei Beziehungen?
von Alexander-Jost Binder
Ich und Du.
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ bringt es der Religionsphilosoph Martin Buber auf den Punkt. Von ihm stammt der Satz: „Der Mensch wird am Du zum Ich“ – mit anderen Worten: Es braucht eine Bezugsgröße. Die Beziehung! Woraus sich diese in „Idealmodellen“ zusammensetzt, das variiert gelegentlich: Offenheit gehört dazu, Dialogbereitschaft, angstfreie Räume schaffen, auf Gleichwürdigkeit achten, authentisch sein, Vertrauen schenken, Humor zulassen (bei sich selbst und anderen). Sich Zeit nehmen! Eine unvollständige Aufzählung, versteht sich. Zugleich: keine Checklist! Beziehung ist kein Leistungssport. Obwohl es wahrscheinlich nicht schaden kann, „Beziehung zu üben“. Aber woraus entsteht nun dieses “Ich”, die Identität? Was dient ihr als Inkubator? Der Geist, die Seele, das Gehirn? Das Herz? Jedenfalls sind Begegnungen mit anderen notwendig, um die Konstruktion und die Bekräftigung des Selbst zu ermöglichen; und zwar das ganze Leben lang. Denn Identität bzw. das “Selbst” wird über die Beziehungen zu anderen generiert, konstatiert u.a. der französische Ethnologe Marc Augé; ganz ähnlich der deutsche Soziologe Hans Paul Bahrdt. Doch dazu müssen diese Begegnungen erst mal stattfinden. Als sozialen Wesen dürfte uns Menschen das eigentlich nicht allzu schwer fallen. Nicht, dass uns das vor Enttäuschungen bewahren könnte. Aber um – mit Gerald Hüther – herauszufinden, in welchen Beziehungen die Balance verloren gegangen ist und wie diese wieder hergestellt werden kann, braucht es die gemeinsame Spurensuche. Gemeinsam, das bedeutet Dialog. Es bedeutet Begegnung mit Menschen, nicht mit Avataren.
Soziale Medien nennen sich so, weil sie vorgeben, unseren sozialen Bedürfnissen Raum zu geben. Das mag in gewissem Rahmen sogar zutreffen. Allerdings suggerieren sie z.B. auch dann Begegnung, wenn wir nur Momentaufnahmen posten. Ob wir dabei nun ein mehr oder weniger anonymes Publikum auf irgendwelchen Plattformen an unserer unmittelbaren Befindlichkeit teilhaben lassen, ihr diese aufdrängen oder dort Erlebtes oder Erwartetes (mit)teilen – kommentiert und bebildert unterbreiten wir damit potentiellen Empfängern ein Angebot, in den Austausch zu treten. Oder auch nicht, mehr auch nicht. Dann können wir chatten oder etwas oder jemanden dissen oder hypen, casten, ghosten, oder liken etc … Das alles begründet vielleicht eine letztlich sonderbare Form der Kommunikation, primär one-way, hat aber selten echten Begegnungscharakter. Ausnahmen mag es – wie meistens – geben. Darüber hinaus ist Social Media inzwischen längst die Domäne künstlicher Intelligenzen, die sich anschicken, ihre Beziehungen zu Menschen immer realistischer, d.h. „menschlicher“ zu gestalten. Das kann man der KI nicht übelnehmen, sie macht, was sie für “richtig” hält. Sie bedient einen Bedarf und schließt dabei eine Lücke, die es eigentlich nicht geben sollte. Sie macht das wahrscheinlich sehr korrekt und… smart. Vielleicht aber auch zu perfekt. Was, wenn wir uns womöglich zu sehr an Beziehungen mit „perfekter“ KI-generierter Kommunikation gewöhnen? Werden wir weiterhin in der Lage sein, mit menschlichen, latent unperfekten Beziehungspartnern tolerant zu sein? Oder werden wir solche Beziehungen dann eher meiden, oder sie, bei Nichtgefallen, einfach abstellen oder austauschen? Wird uns da nicht ungefragt eine wichtige menschliche Kompetenz abtrainiert? Oder ist es mit dieser angeblichen Kompetenz sowieso nicht weit her und auch das umgekehrte Szenario wäre denkbar und könnte uns eine KI sogar beibringen, wie wir Beziehungen vernünftig führen können? ChatGPT gibt dir schon jetzt durchaus plausibel klingende Antworten auf Beziehungsfragen. Nicht wenige nutzen das. ChatGPT hat für alles eine Antwort. Nur ob die Antwort für uns brauchbar ist, kann es nicht wissen.
Wirtschaftsbeziehungen.
Seit nun schon etlichen Jahren beschäftige ich mich mit Wirtschaftsethik. Wenn ich das jemandem erzähle, kommt oft die Frage, ob denn das nicht ein Widerspruch sei: Ethik und Wirtschaft? Ich finde nicht, dass es einer ist. Ich meine, dass es keiner sein darf! Wiewohl die Frage alles andere als unberechtigt ist: Ein geradezu obszöner Superreichtum scheint sich im allgemeinen, zunehmenden Chaos irgendwie wohl zu fühlen, eine immer ungenierter agierende Schattenwirtschaft sowieso. Die Politik wirkt zugleich orientierungslos und machtversessen, jedenfalls aber in erster Linie mit sich selbst beschäftigt. Daran ist in der Tat weit und breit nichts ethisch. Daran ist aber auch weit und breit nichts wirtschaftlich. Eine gesunde Wirtschaft basiert auf verlässlichen, vertrauensbasierten Beziehungen. Empfehlungen dazu finden sich bereits in der Antike: Ökonomie zum Beispiel, unser geläufiges Fremdwort für Wirtschaft, meint im aristotelischen Verständnis ganz ausdrücklich das verantwortungsvolle, auf Nachhaltigkeit (!) und maßvollen Ressourcenumgang achtende Wirtschaften. Dieses muss notwendig zusammen mit Politik und Ethik gedacht und betrieben werden. Davon vollständig verschieden ist das Konzept der Chrematistik, die Kunst des Gelderwerbs. Sie zielt auf Reichtum durch Geldvermehrung ab. Ethik spielt hier keine Rolle. Der Beziehungsqualität ist das zwar eher abträglich, aber das ist in diesem Business sekundär. Am Ende wird es VerliererInnen geben, aber es wird alles legal gewesen sein. Ich erwähne das nur, weil ich mich ja statt mit Wirtschaftsethik auch mit Wirtschaftsrecht hätte befassen können. Dann würde niemand fragen, ob da ein Widerspruch sei. Im Gegenteil: Jede/r würde das anerkennend benicken und wahrscheinlich finanziell höchst einträglich einschätzen. Das liegt unter anderem daran, dass wir es als ganz „normal“ ansehen, dass wir unsere Beziehungen miteinander bisweilen auch vertraglich absichern. Im Fall des Scheiterns einer Beziehung – egal welcher Art – sollen gewisse rechtliche Folgen greifen. So lagern wir einen Großteil unserer Beziehungserwartungen, die so zu Forderungen werden, an eine juristische Schiedsstelle aus. Um das, was wir uns von der Beziehung versprochen haben, rechtlich durchsetzen zu können.
Nicht nur bei Beziehungen im wirtschaftlichen Kontext, … auch bei der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen lässt sich immer öfter, und zwar nicht nur in der von Social Media begünstigten Distanz, beobachten, wie Konsumstereotypen und Preis-Leistungs-Vergleiche an Bedeutung gewinnen. Es erkaltet zwangsläufig die Gefühlsebene und unweigerlich beeinträchtigt es, wie in konzentrischen Wellen, auch die Beziehung des Individuums zu seinem Umfeld und zur Umwelt. Das erklärt unter anderem, warum es trotz einer breiten und fundierten Wissens- und Informationsbasis zwar ein durchaus wachsendes Verständnis, aber vergleichsweise wenig individuelles Engagement gibt, wenn es um die Reduktion umweltbelastender Faktoren geht. „Apotheose einer Logik ohne Seele“ nennt das der algerisch-französische Autor, Landwirt und Umweltschützer Pierre Rabhi (†), damals 80-jährig, in seinem Manifest für die Erde und fordert darin einen Aufstand des Gewissens. Den fordert gleichlautend auch der Schweizer Soziologe und Kapitalismuskritiker Jean Ziegler (91). Beim Mitunterzeichner der UN Menschenrechtscharta von 1948, Stéphane Hessel (†), lautet sein im Alter von 94 Jahren verfasster Aufruf „Empört euch!“ und „Engagiert euch!“ Jane Goodall (91) weiß über das Beziehungsleben von Schimpansen vermutlich mehr als über das von Menschen – kann aber auch ein Irrtum sein, denn in vielen Dingen sind uns unsere nächsten Verwandten viel ähnlicher als uns bewusst ist. Vielleicht gerade deshalb begeistert und motiviert sie heute unermüdlich vor allem die Kinder, um mit Hilfe ihres weltumspannenden Roots & Shoots-Netzwerks soziale, ökologische oder karitative Projekte zu initiieren. Denn gerichtet sind freilich all diese Appelle dieser vorangegangenen Generationen an jene von heute; ob sie sich nun Y, Z, oder α nennen. Und an uns, ihre Eltern und LehrerInnen, die den Rahmen dafür schaffen müssen.
Zeit, wenigstens einen Aspekt zu Fragen politischer Beziehungsqualität aufzugreifen.
Missbrauchsbeziehungen.
„Die Strategie der extremsten totalitären Regime war es immer gewesen, das Individuum durch Eingriff in seine Privatsphäre zu isolieren, um es von seinen engsten Beziehungen abzuschneiden.“ (Marc Augé)
In Seminaren zum Thema Führung erinnere ich die Studierenden immer ausdrücklich an eine Tatsache, die ich von allen Botschaften zum Thema Führung als eine der Wichtigsten erachte. Sie richtet sich an jede/n höchstpersönlich und lautet: „Du bist nicht UntertanIn! Nicht des Staates, nicht deines Vorgesetzten, nicht irgendeiner Religion o.ä.!“ Das bedeutet keineswegs, dass Hierarchien geleugnet werden. Sie sind in vielen Kontexten sinnvoll, ja mitunter unverzichtbar, zumindest temporär. Und schon gar nicht ist es ein Freibrief, Regeln beliebig zu interpretieren oder ohne triftigen Grund zu brechen. Aber es ist eine radikale Forderung, den Gehorsam zu verweigern. Denn Gehorsam hat nichts mit Disziplin zu tun und auch nichts mit Gemeinsinn oder gar Solidarität. Gehorsam ist die Folge einer Missbrauchsbeziehung. Er lässt Menschen, die nicht sterben wollen, in den Krieg ziehen, er lässt sie gegeneinander intrigieren, wo sich Kooperation als Alternative anbietet, er zweckentfremdet den Glauben zum Deckmantel. „Gehorsam war das Instrument, mit dem Herrschaft und Besitz abgesichert wurden, als sich diese Strukturen herausbildeten. Dies gelang, indem die Mächtigen den Unterdrückten (resp. Untertanen, Anm.) die Identifikation anboten, damit diese scheinbar aus ihrem Elend und ihrer Machtlosigkeit gerettet werden, oder sich selbst retten“, liest man beim deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker Arno Gruen („Dem Leben entfremdet“). Oder, wie es Marcel Proust erkannt zu haben glaubt: „Wir sehnen uns in den Gehorsamskulturen danach, von denen erlöst zu werden, die uns leiden lassen, verbunden mit der Unfähigkeit, diese als Täter zu erkennen.“ Das Stockholm-Syndrom lässt grüßen.
Wenn das so ist, dann muss all jenen, die diesen Gehorsamskult ablehnen, daran gelegen sein, genau jene Fähigkeit zu schulen, die es uns ermöglicht zu erkennen, wem wir unsere Bereitschaft zur Untertänigkeit „verdanken“; sodass wir jegliche Gehorsamsbereitschaft zuerst reflektieren und dann konsequenterweise abzulegen bereit sind. Dass bestimmte Systeme, z.B. militärische Strukturen genau das nicht zulassen (können), liegt auf der Hand. Würde man die Kompanien einladen, ihre Sterbebereitschaft vor jedem Marschbefehl in Diskussionsrunden zu erörtern, würde sich so manches sinnlose Massensterben auf den Schlachtfeldern vielleicht erübrigen. Ganz sicher wäre das der Fall, wenn zur Abwechslung mal diejenigen in den Schützengräben ausharren müssten, die am Kriegstreiben üblicherweise kräftig verdienen – schlaflos, frierend, hungernd und ständig von Schmerz oder Tod bedroht. Übrigens fiebern auch Militärs nicht pauschal einer Gelegenheit zum Waffengang entgegen: Von seinen dutzenden Einsätzen auf schier allen Kontinenten gezeichnet, war Smedley D. Butler der am höchsten dekorierte General der US Marines, als er 1940 starb. Von ihm stammt der Essay: „Krieg ist ein Verbrechen.“ Und er ergänzt: „Das war er schon immer. Er ist wahrscheinlich das älteste, das profitabelste und ganz sicher das grausamste. […] Es ist das einzige (Verbrechen), in dem die Gewinne in Dollars und die Verluste in Menschenleben gemessen werden.“ Später im Text liefert er den ebenso simplen, wie einleuchtenden Lösungsvorschlag: „Er (der Krieg) kann ganz leicht verhindert werden, wenn man dem Kriegstreiben die Gewinne entzieht. […] Schickt die politisch Verantwortlichen, die Direktoren der Rüstungskonzerne, Stahlfirmen und Munitionsfabriken, die Produzenten der Kriegsschiffe und Bomber und all der anderen Zulieferer der Kriegsindustrie, die Banker und Spekulanten, die vom Kriegsgeschehen profitieren, an die Front und bezahlt sie mit dem selben Lohn, wie ihn unsere Soldaten bekommen, die dort verbluten. Schon wäre der Krieg vorbei.“
Dass es überhaupt erst dazu kommt, dafür sorgen lange vorbereitete Strukturen, die den Gehorsam attraktiv, ja komfortabel machen und sogar zum Erfolgskriterium stilisieren. Daraus resultiert die gefährlichste Form des Gehorsams: der in Österreich scheinbar besonders verbreitete, der vorauseilende. „Gehorsam im österreichischen Kontext meint die freiwillige, noch gar nicht eingeforderte Erfüllung angenommener, vermuteter, erahnter Wünsche. Das heißt, dieser Gehorsam kommt nicht auf Druck zustande, sondern wird genau deshalb geleistet, um erwarteten, vermeintlichen Druck zu vermeiden“, analysiert Anneliese Rohrer in ihrer Streitschrift „Ende des Gehorsams“. Auf den ersten Blick klingt das sogar irgendwie vernünftig. Letztlich aber ist es eine Charakterschwäche und eine jener Voraussetzungen, die es menschenverachtenden Systemen schlicht erleichtern, ihr grausames Regime mit Handlangern zu bestücken. Einige besonders bedrückende Beispiele dafür, wie „anfällig der Mensch dafür ist, blind zu gehorchen, wie sehr er ´Regeln´ über das Leben seiner Mitmenschen stellt“ liefert die österreichische Journalistin Solmaz Khorsand in ihrem Buch „Untertan“. Es lässt den/die LeserIn in so manch einen Abgrund der Entmenschlichung schielen und den Zustand der totalen Beziehungslosigkeit erahnen. Das ist bedrohlich. „Endgültig unheimlich wird der Mensch erst dann, wenn er die Taten ohne Wahn, ohne Rausch, ohne Fahne, ohne Glauben, sogar ohne Hass begeht.“ resümiert Joachim Fernau, nicht ohne eine spürbare Resignation, als er sich den historischen Details betreffend die systematische Vernichtung der amerikanischen Ureinwohner in den USA gewidmet hatte. Hallelujah! (…das ist kein sarkastischer Kommentar, sondern der Titel des Buches).
Menschenbilder.
„Sofern nicht eine große Veränderung im Bewusstsein stattfindet, werden sich die Menschen auch weiterhin unaufhörlich bekriegen, so wie sie es schon immer im Namen sich widersprechender Werte getan haben“, ist Pierre Rabhi überzeugt. Welche Veränderung ist gemeint? Bekanntlich folgt der philosophisch-analytische Blick auf den Menschen typischerweise zwei weithin bekannten, den Diskurs dominierenden Grundpositionen. Das eine ist das Menschenbild bei Hobbes: „homo hominis lupus est“ (lat.: der Mensch ist des Menschen Wolf). Da ist der Mensch von Natur aus egoistisch, misstrauisch, triebbestimmt. Bei Rousseau dagegen erfolgt die Entfremdung erst durch die Vergesellschaftung des Menschen. Von Natur aus ist der Mensch bei Rousseau gut, gleich und frei. Dieser Sichtweise folgt der Dalai Lama. „Altruismus macht einfach glücklicher“, weiß der weise Tibeter. Und “dass das Leben kurz ist und dass wir es vergeuden, wenn wir es den negativen Emotionen überlassen.” Es gäbe nunmal keinen bequemen Weg. Darüber hinaus sei „Geistesschulung und Herzensbildung erforderlich“ um intelligente Feindesliebe zu praktizieren. Und dies sei angebracht, denn letztlich seien unsere Feinde unsere besten Lehrer.
Bedingungslos.
Abschließend liegt mir viel daran, jenen Faktor zu erwähnen, den ich persönlich für den entscheidendsten halte, wenn es darum geht, die Beziehungsqualität auch künftigen Generationen als höchsten Wert zu vermitteln. Der gebürtige Brite, Buddhist und Abt Ajahn Brahm erinnert sich in einer Kurzgeschichte mit dem Titel „Bedingungslose Liebe“ an einen Satz seines Vaters, den ihm dieser als damals Jugendlichem gesagt hatte: „Ganz gleich, was du in deinem Leben tun wirst, mein Sohn, eines solltest du wissen: Die Tür zu meinem Herzen wird dir immer offenstehen.“ Die Bedeutung dieses Satzes wurde ihm erst viele Jahre später so richtig bewusst: „Mein Vater hatte mir die bedingungslose Liebe angeboten. Ohne jegliche Verpflichtung. Ich war sein Sohn, und das genügte ihm.“ Ich bin dankbar, diesen Satz so formuliert vorgefunden zu haben und zitiere ihn gerne und guten Gewissens. Mir dient er als Leitspruch. Wenn es mir gelingt, die Beziehung zu meinen Töchtern so zu gestalten, dass sie diesen Satz nicht nur mal gehört oder gelesen haben, sondern ihn so auch spüren und erleben, dann glaube ich Wesentliches erreicht zu haben. Das heißt, eigentlich glaube ich nicht nur, ich bin fest davon überzeugt, dass nur aus einem Fundament bedingungsloser Liebe jene Beziehungen erwachsen können, die wir uns später im Leben an allen möglichen Stellen wünschen: ob in der Paar-, Arbeits-, Wirtschafts- oder internationalen Beziehung. Ganz einfach, weil uns das erleichtert, Beziehungen so zu gestalten, dass sie von allen Beteiligten als gelungen empfunden werden. Und weil wir eine Handhabe brauchen, um mit den missbräuchlich angelegten, konfliktbeladenen oder sonstwie belastenden Beziehungen umzugehen, die es nunmal auch gibt und die uns leider auf allen Ebenen begegnen können. Beziehungswissen ist dann von Vorteil. Beziehungsweisheit der Schlüssel. Aber es sind dies keine Ressourcen, die sich aus Büchern ergründen; auch nicht aus entsprechend verheißungsvollen Ratgebern. Sondern, wenn es uns Halt(ung) geben soll, aus einem nährenden Beziehungserleben selbst.


