Kreativschule Lernwerkstatt Regenbogen

Schule als Bildungs- und Lebensraum

Unser Motto: Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir! In der Praxis bedeutet das bei uns in der Kreativschule Lernwerkstatt Regenbogen: tägliches gemeinsames Mittagessen – die Eltern kochen täglich frisch, viele Feste feiern, den Garten pflegen, Apfelbäume pflanzen, ernten, das Geerntete mit den Kindern köstlich zubereiten, Lebensräume für Tiere schaffen, Wildbienen, Lurchen und ausgewilderten Igeln ein Zuhause geben, Vogelfutterknödel in großen Mengen herstellen, Meerschweinchen betreuen, sich um ein Aquarium kümmern, auf regelmäßigen Ausflügen die Natur zu erkunden u.v.m.


Von Rainer Wisiak

Die Kreativschule Lernwerkstatt Regenbogen wurde vor mittlerweile 35 Jahren gegründet und erhielt 2004 das Öffentlichkeitsrecht dauerhaft verliehen. Im Laufe ihrer Arbeit mit den Kindern entwickelten Marlies Botros und Christine Heuer das pädagogische Konzept. Ausgangspunkt der Überlegungen war, die Welt mit allen Sinnen zu begreifen, die Lust am Lernen und Formen zu erhalten, mit Hilfe von Projekten und Erlebnissen Themen ganzheitlich zu erfassen. Es war uns wichtig, keinem ideologisch festgeschriebenen Konzept dogmatisch nachzugehen, also weder der reinen Lehre von Montessori, Wild oder Freinet… aber alle haben uns inspiriert und beeinflusst. Wir wollten das Kind und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen und nicht eine bestimmte Methode. Jedes Kind ist anders, eines braucht viel persönliche Konfrontation, andere einen großen Freiraum und ein anderes fühlt sich mit viel Anleitung geborgener.

Derzeit beleben 26 Kinder im Vorschul- und Volksschulalter unsere Schule, ein 175m2 großes Backsteingebäude. Zum Haus gehört ein Garten und die Möglichkeit, die große Sportplatzwiese hinter dem Haus mitzubenützen. Das Haus wird uns von der Gemeinde Wien im Rahmen eines Nutzungsvertrages zu günstigen Bedingungen zur Verfügung gestellt. Reguläre, in Wien übliche Mietkosten, könnten wir mit den Elternbeiträgen nicht aufbringen. 

Unser Tagesablauf in Kürze – eine ausführliche Beschreibung kann in unserem pädagogischen Konzept auf unserer Webseite nachgelesen werden – gliedert sich in drei Aspekte: 

Ein Teil des Vormittages steht den Kindern frei zur Verfügung: spielen, gestalten, Beschäftigung und Arbeit nach eigenen Bedürfnissen und Interessen. Ein zweiter Teil des Schultages ist dem gemeinsamen Erarbeiten verschiedener Themen im Morgenkreis gewidmet. Daran können sich auch Projekte, die über einen langen Zeitraum gehen, entwickeln. Manche Projekte werden jedes Jahr aufgegriffen, z.B. das Apfelprojekt (siehe Webseite) oder unsere Kastanienspirale, die wir jedes Jahr zur Erforschung des Zahlenraums bis 1000 auflegen. Ein dritter Teil wird von den Lehrerinnen als strukturierter Unterricht vorbereitet – möglichst individuell auf die Fähigkeiten und das Entwicklungstempo der Kinder abgestimmt. Lernschritte werden in der jeweiligen Schulstufe gemeinsam erarbeitet. Besonders in Mathematik arbeiten wir mit begreifbaren anschaulichen Materialien. Das Erlernte und Erarbeitete wird dann auch in Schulbüchern geübt. Da wir aus Platzgründen keine Sekundaria führen, ist es uns wichtig, dass die Kinder nach dem Abschluss der 4. Klasse ohne Probleme in weiterführende Schulen – z.B. auch öffentliche Gymnasien – übertreten können. Wichtig ist uns, dass die Kinder erlebnisorientiert und ganzheitlich lernen können und die Freude am Entdecken und Forschen erhalten bleibt. 

Arbeit in Projekten

Die Arbeit in Projekten fördert das Denken in Zusammenhängen. Wir wollen hier nun einige unserer vielen Projekte vorstellen. Zum Beispiel das Thema Ferienerlebnisse. Nach den Sommer-, Weihnachts-, Semester- und Osterferien gibt es immer das gleiche „Ritual“. Wir legen für die Kinder im Bewegungsraum Matten auf, wir führen die Kinder auf eine Phantasiereise, die endet in Gedanken z.B. im Blütenmeer unter einem Apfelbaum oder im weichen Schnee. Alle Körperteile können sich entspannen und die Gedanken zurück in die Ferienzeit reisen.

Nun werden die Kinder angeleitet, alle ihre Erlebnisse nach und nach Revue passieren zu lassen und schließlich ein Erlebnis als „Foto“ in die Tasche zu stecken. Damit geht’s dann wieder zurück „in die Schule“. Die Kinder teilen sich nun in Gruppen und erzählen in kleiner Runde von ihrem Erlebnis. Danach wird mit dem Erlebnis weitergearbeitet. Dazu denken wir uns immer etwas Neues aus: Voriges Jahr gestalteten die Kinder dreidimensionale Szenen in einer Schachtel, daraus wurde dann eine Ausstellung. Heuer gestalteten wir „Ferienschnüre“. Die Kinder fabrizierten dazu mit verschiedenen Methoden wie Fingerstricken, Flechten, Häkeln lange Schnüre. In die Schnüre knüpften oder nähten die Kinder kleine Erinnerungstücke, Fotos und Zeichnungen. Ihre Erlebnisse schrieben die Kinder auf. Das Papier falteten die Kinder zum Beispiel zu einem Flieger oder zu einem Katzenkopf oder banden es zu einem Päckchen. Da waren den Ideen keine Grenzen gesetzt! Die Schnüre wurden dann im Schulhaus auf einen langen Ast gehängt, zu einem textilen Wandkunstwerk zusammengestellt und dekorieren nun unseren Flur. Natürlich gab es am Ende eine Präsentation vor den eingeladenen Eltern. 

Unser Projekt „Schulhund“

Einmal in der Woche ist bei uns seit vielen Jahren Hundebesuchstag. Da kommt Trixi mit ihren Hunden in die Schule. Mensch und Hund freuen sich dann gleichermaßen! Beim Hereinkommen und Begrüßen im Morgenkreis erfassen die Hunde sofort die Stimmung der Kinder und gehen auf die Kinder zu, die gerade bedürftig nach Zuwendung sind. Sie riechen ihren Gemüts- und Gesundheitszustand und erkennen, ob sie spielen oder kuscheln wollen. Die Hunde sind Lehrmeister im sozialen Verhalten, weil sie authentisch reagieren. Trixi leitet die Kinder an, sich in die Sinneswelt des Hundes einzufühlen. Dadurch wird Empathie geübt. Wenn die Kinder mit dem Hund selbstständig agieren oder ihn anleiten, lernen sie klares Sprechen, selbstbewusst aufzutreten und die eigene Körpersprache zu beachten. Kinder und Hunde interagieren freiwillig miteinander und können so voneinander profitieren.

Erlebnis Hundewelpen

Unsere Schulhündin Jördis hat uns auch besucht, als sie schon hochträchtig war. In der Kinderrunde streckte sie sich vertrauensvoll seitlich aus, sodass die Kinder nacheinander ihre Hand auf den Hundebauch legen durften und die Bewegungen und das Strampeln der ungeborenen Welpen spüren konnten. Das war nur möglich, weil die Kinder gelernt hatten, sehr achtsam und rücksichtvoll zu agieren. In der folgenden Zeit wurden wir immer wieder von Trixi mit Berichten, Fotos und Videos über die Geburt der Welpen und ihr Wachsen versorgt. Trixis Berichte dienten auch als Lesehausaufgaben. In Mathematik arbeiteten die Kinder z.B. mit Gewichtstabellen und sogar das 1×1 drehte sich um Hundepfoten. Auch das Erlernen von Luftmaschen machen und dem Häkeln stellten wir in den Dienst der Welpen – sie brauchten ja Markierungsbänder. So waren wir gut vorbereitet auf den Besuch der acht Welpen samt Hundemama. Um die Welpen gewärmt und gut versorgt in der kalten Jahreszeit durch Wien zu transportieren, brauchte es auch die Unterstützung helfender Eltern. Trixi war es wichtig, dass die Tiere in ihrer Prägungsphase die Situation mit den Menschenkindern als sehr angenehm erlebten. Das ist uns gut gelungen! Denn die kleinen Menschenkinder brachten das Verständnis und die Geduld auf, in Ruhe zu beobachten und zu warten, bis die Hundekinder von selbst neugierig auf sie zukamen, sie liebkosten und sich zu ihnen kuschelten. Die Hundemama konnte in der entspannten Stimmung alles vertrauensvoll zulassen und am Ende haben Mama und Welpen inmitten der Kinder geschlafen. 

4-Tagesauflug

Gegen Ende jedes Schuljahres gehen wir auf Abenteuerfahrt – unser 4-Tagesauflug!

Viele Großstadtkinder verbringen ja die meiste Zeit zwischen Beton und Asphalt, vergnügen sich auf genormten Spielplätzen, besuchen Kurse und Events, die nach einem bestimmten Programm ablaufen. Unser Ziel ist es, den Kindern auf unseren Ausflügen zu ermöglichen, in „wilder“ Natur zu sich selbst zu kommen. Heuer verbrachten wir vier Tage im Almtal beim Toten Gebirge. Dort gibt es abseits der Wanderwege Wasser, Berg und Wald noch pur. Gleich am ersten Tag führten wir die Kinder zu einem frei fließenden, kleinen Fluss, der dort in die Alm mündet. Es war sehr berührend zu beobachten, mit welcher Begeisterung – förmlich in Ekstase – sich die Kinder in diese Flusslandschaft stürzten. 

Sie konnten nicht genug bekommen vom Ausprobieren der Strömung, vom Eintauchen in verschiedene Becken, um sich dann vom Wasser mitgerissen ein Stück hinuntertreiben zu lassen. Dass das Wasser eiskalt war, erhöhte nur den Reiz! Selbstvergessen und versunken wühlten, bauten und spielten die Kinder im Flusssand und auf den Schotterinseln. Sie schichteten Steine auf und genossen es, den Lauf des Wassers zu gestalten und zu verändern. Eine andere Gruppe erforschte einstweilen das Ufer der Alm, kletterte über Felsen und Steine, überwand umgestürzte Bäume und kämpfte sich durch Lianendickicht, barfuß und fast nackt. Die Kinder staunten immer wieder über die verschiedenen Formen der Strömung und erfreuten sich an den Sandbuchten. Mir kam es vor wie eine Zeitreise in die Urzeit! Am nächsten Tag wanderten wir in das Quellgebiet oberhalb des Almsees. Wir verließen den Wanderweg, durchquerten klare, eiskalte Bachläufe, wateten durch Schlamm zwischen kindshohen Pestwurzblättern, in denen die Kinder fast verschwanden. Getrieben von ihrem Forscherdrang ging es weiter, bis die Kinder bemerkten, dass die Wasserbecken seltener wurden und sie schließlich vor der Gerölllandschaft standen, im Hintergrund die Felsabstürze des Toten Gebirges. Um viele Erfahrungen und intensive Erlebnisse reicher kamen wir wieder im Schulalltag an, wo wir uns nochmals an alles Erlebte erinnerten, über die Pflanzen, Tiere und Landschaften lernten und schließlich unsere Erlebnisse zu Papier brachten, zeichneten und malten. Die Fotos, Geschichten der Kinder und die gestalteten Werke wurden dann bei unserem Zeugnisverleihungsfest am Schulende den Eltern präsentiert und schließlich in einer Mappe – schön gestaltet – gesammelt.