Humor – ein Verhältnis des Menschen zur Welt

Im Zuge meiner Recherchen zum Thema Humor ist mir klar geworden, dass der vorliegende Beitrag das Thema unmöglich erfüllend behandeln kann. Betrachten wir den Text als kleinen Streifzug durch eine weitläufige Landschaft, die es lohnt weiter bewandert, betrachtet und erforscht zu werden.

Von Renate Liangos

Vom romantischen Dichter Novalis stammt Folgendes: „Wo Phantasie und Urteilskraft sich berühren, entsteht Witz; wo sich Vernunft und Willkür paaren, Humor.“

Unsere jeweilige Weltanschauung ist von vielfältigen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel von Kultur, Erfahrung, Geschlecht, Charaktereigenschaften und Identität. Auch Humor können wir als eine Art Weltanschauung verstehen, als ein Fühl-, Denk- und Verhaltensprogramm.

:-)) Humor ist eine Haltung heiterer Gelassenheit,

die es möglich macht, menschliche Unzulänglichkeiten (auch die eigenen) anzunehmen, da der Humor sozusagen die Auffassung vertritt, dass das Menschliche der Perfektion vorzuziehen ist und uns absolute Wahrheiten nicht zugänglich sind. Humor lässt uns mit der Unzulänglichkeit der Welt spielen.

Wie sollten wir überleben ohne Humor? Schaut euch doch die Welt an! Jeder der anpackt und an etwas Gutem baut, braucht den Humor zum Durchhalten. Humor verbindet. Auch wenn es ein Lachen über Unterschiedlichkeiten und Missverständnisse ist. Das Lachen verbindet. Wir sind alle unvollkommen, niemand ist perfekt.

Die grundsätzliche Unvollkommenheit des Menschen ist an sich schon komisch. (nach Hebbel)

:-)) „Ohne Humor wär‘ ich schon tot!“

Humor ist für mich ein Lebensretter und gilt als Stimulanz für Lebensfreude.

Es gibt Menschen, die auch unter widrigsten Umständen ihren Humor nicht verlieren und andere dabei unterstützen den Lebenswillen nicht aufzugeben.

Eine heitere Grundstimmung zählt zu den Resilienzfaktoren und lässt uns Schicksalsschläge ertragen, nach Krisen wieder aufstehen und eigene „Fehler“ akzeptieren.

Auch evolutionsbiologische Theorien verstehen Humor als eine Frage von Überleben. Humor könnte sich als eine Alternative zum Ärger entwickelt haben, die Menschen erlaubt, miteinander zu leben ohne sich in ständigem Kampf zu bekriegen.

:-)) Der groteske Humor enthält etwas Beängstigendes, 

das Lachen bleibt uns im Halse stecken. Alltägliche Wirklichkeiten werden gleichsam „dekonstruiert“, Absurdität wird bewusst. Dennoch bleibt ein Rest an Komik, der ein Lächeln hervorruft.

:-)) Schwarzer Humor behandelt ernste Themen in satirischer Weise. 

Er ist nicht zu verwechseln mit negativem, aggressivem Humor, auf den ich hier nicht eingehen möchte, genau so wenig wie auf diskriminierenden Humor. Schwarzer Humor beinhaltet eine gewisse Freude an der Katastrophe, die vielleicht eine Verkehrung der Verhältnisse heraufbeschwören, eine Umkehr bewirken könnte. Ein Spiel mit Leben und Tod, ohne Gefahr des realen Sterbens. Lustvoll und mächtig, wie im Karneval eben.

Ein selbst erlebtes Beispiel zu schwarzem Humor in der Corona-Zeit:

E.: Mir reicht’s schon wieder mal! Hab diese Doku gesehen. Die freuen sich schon drauf, wenn das Polareis schmilzt, weil sie voll auf das Öl geiern. Da krieg ich ‘nen Hass auf die ganze Menschheit. Wir sind ein Fehler in der Natur!

R.: Das bringt nichts, du musst den Hass auch wieder loslassen. Schau mal auf das Gute,    das schon passiert.

E.: Ja, der Virus!

:-)) Humor ist ein unkalkulierbares, oft freches Denken 

und steht dem Bemühen entgegen, alles unter Kontrolle zu halten. Die Humoristen aller Zeiten, Hofnarren, Komödiendichter der Antike, heutige Kabarettisten, sind auch provokativ, kultivierten und kultivieren sozusagen „Frechheit“ um herrschende Systeme oder Moral zu kritisieren. Eine „freche“ Weltsicht findet sich im Karneval institutionalisiert. Dort darf die verkehrte Welt von einem Narrenkönig regiert werden und die Armen und Ordentlichen dürfen ihre versteckten Träume ausleben. So ist der Karneval ein Ventil für Unzufriedenheit, aber auch durchaus systemkritisch, wie dies auch für heutige Kabarettisten gilt.

:-)) Lachen ist eine neurophysiologische menschliche Reaktion auf etwas Komisches. (Siebert) 

Wobei das Komische als eine Abweichung von der Normalität Heiterkeit hervorruft. Humor ist immer auch eine Frage der Perspektive.

Lachen ist die eine Seite der Komik, Humor die andere. Man kann in der Komödie lachen, man muss aber nicht. Humor ohne Lachen spielt sich im Inneren ab. 

Wir können als gesichert annehmen, dass Lachen zu allen Zeiten und in allen Kulturen verbreitet ist. Anlässe und Ausdrucksformen des Lachens sind aber unterschiedlich. Unterschiede finden sich diesbezüglich auch nach Alter und sozialer Schicht.

:-)) Humor lebt von Sprachverwirrungen. 

„Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.“

Auch beim Fremdsprachenlernen in einem andern Land unterstützt uns die offene Haltung des Humors eher als die Strenge des Perfektionismus. Wer selbst schon die Gelegenheit hatte, kann sich wahrscheinlich an einige höchst erheiternde Situationen erinnern, als Wörter und Laute verwechselt wurden und man in der Runde dadurch für Lachanfälle sorgte. Fehler machen und Lachen! Humor stimuliert Lernen und kreatives Denken.

Bei Kindern sind Sparchverdrehungen und Sprachspiele sehr beliebt. Kaum wird ein Impuls dazu gesetzt, experimentieren sie schon munter drauf los und eine allgemeine Heiterkeit und Freude daran breiten sich aus.

:-)) Humor ist eine Form der emotionalen Kompetenz, 

in der es um Verständnis und Handhabung menschlicher Gefühle geht. Die Psychologie betont die Ventilfunktion des Humors. Unaussprechliche Gefühle werden humorvoll in Lust übertragen, feindselige Regungen sozial akzeptabel ausgedrückt.

:-)) Humor beinhaltet – wie das Spiel – eine kommunikative Interaktion, 

hat mit dem Gleichgewicht zwischen Spontaneität und Wohlüberlegtheit zu tun und manipuliert die Realität auf einer abstrakten Ebene.

Die Gabe des Humors erleichtert soziale Interaktionen und hat daher auch Bedeutung bei der Entwicklung sozialer Kompetenzen. Die Fähigkeit, bei anderen Heiterkeit hervor zu rufen, können wir hier dazu zählen.

Viele Kinder haben immer wieder Freude am Tollpatsch spielen, am Lachen über eigene lustige Ideen und am Erzählen amüsanter Begebenheiten.

Marlene (5J.): Ich hab einen Fasan auf der Straße gesehen.

Flo (5J.): Habt ihr ihn überfahren?

M.: Nein!!!

F.: Ist er weg geflogen?

M.: Nein, weg geronnen, das war ja noch ein kleiner.

Humor legt nichts fest, sondern hält in Bewegung, in Schwebe. „Es geht auch anders“, könnte der Humor sagen, im Gegensatz zur Besserwisserei „So, und nicht anders“.

Deshalb sind Kinder „Meister des Humors“ – als jene Haltung der Heiterkeit. Sie haben ausreichend geistige Beweglichkeit und Entdeckerfreude um erst einmal mit einem Lachen an das Leben heran zu gehen. Der Ernst der Lage mag sich später zeigen. Als wüssten sie instinktiv, dass der Humor Gegensätzlichkeiten meistern kann. Erwachsene fassen meist die Dinge erst mal sehr ernsthaft an, um sich dann eventuell mühsam ein wenig Komik abzuringen. Da könnten wir „Großen“ durchaus ein wenig gelassener werden. „Lasst Euch die Kindheit nicht austreiben!“ meinte Erich Kästner. Mein Verständnis dazu ist, dass jeder Mensch sein „inneres Kind“ in sich trägt und nachdem mir eine über achtzig jährige Frau bestätigte, dass wir „Innen drin niemals alt werden“, braucht es vielleicht nur >>

ein Quäntchen Bewusstsein dessen und ein bisschen Hinhören und Pflege des inneren Kindes, um die Stimmung der Welt ein wenig heiterer zu machen.

:-)) Zwischen Lachen und Spielen werden die Seelen gesund. (Arabisches Sprichwort)

Humor ist unser täglich Brot im Kindergarten. Mit seiner Hilfe lässt sich eine verfahrene Situation umwandeln. Das setzt jedoch eine gewisse Empfänglichkeit beim Gegenüber voraus und wir müssen den richtigen Zeitpunkt erwischen.

Humor „kann“ besänftigen, lösen, entspannen, erheitern, verbinden, eine gemeinsame Basis schaffen, eine Situation abschließen, einen Neuanfang möglich machen, eine Stimmung verändern, eine Lösung finden; muss aber nicht. Es ist auch immer wieder überraschend, in welche Richtung es weiter geht, wenn Humor zum Einsatz kommt. Diese Beweglichkeit macht Freude und ist für mich zutiefst menschlich.

Immer wieder lese ich davon, dass PädagogInnen die Möglichkeiten zum Erlernen von Humor schaffen „sollten“, also bei Kindern Humor „fördern sollten“. Ich würde sagen: Seien Sie vorsichtig mit dem „Trainieren“ von anderen und beginnen Sie bei sich selbst. Werden Sie sich bewusst, welche Rolle Humor in Ihrem Leben spielt, was Ihre Art von Humor ist und wie es Ihnen damit geht, bevor Sie sich anderen als „Humorcoach“ zuwenden. Ehrlichkeit und Echtheit ist auch bei missglückten Versuchen humorvoll zu sein die beste Reaktion. Überhaupt finde ich ein Lächeln oft ausreichend. Es muss nicht gleich ein lautes Lachen sein. Hauptsache echt.

Bei allen Argumenten und guten Gründen für mehr Humor und Lachen ist mir doch die Authentizität am wichtigsten. Ein wenig humorvoller Mensch, ein Pessimist und „Grantler“, der um jeden Preis humorvoll sein will, wird dadurch „peinlich“. Besser zur eigenen Gemütsverfassung stehen, als künstlich Lacher erzeugen zu wollen. Diese aufgesetzte, „gepushte“ Heiterkeit mancher TrainerInnen, RednerInnen oder LehrerInnen ist kaum auszuhalten. Da finde ich einen zurückgezogenen Grantler angenehmer und manchmal erscheinen seine spärlichen Statements durchaus so, dass wir sie als „trockenen Humor“ bezeichnen können.

Meistens sind Situationen über die wir uns ärgern nach einem kleinen Perspektivenwechsel auch zum darüber Lachen geeignet. Suchen Sie selbst mal im Alltag nach solchen. Seien Sie darauf aufmerksam.

Vielleicht finden Sie auch ein Erlebnis, das Sie weitererzählen können und laden damit auch andere zu einem Lächeln ein.

Manchmal ist es nur ein Schmunzeln durch das sich ein humorvolles Gefühl ausdrückt. Das ist oft ausreichend, um einen anderen Menschen zu berühren. Und manchmal muss sich ein Lachen Bahn brechen, schüttelt unseren Körper und lässt ein zufrieden entspanntes Gefühl zurück. Das wünsche ich Ihnen.