Ein Akt der Notwehr

Im November 2016 reichten 38 nichtkonfessionelle Privatschulen sowie die drei größten Dachverbände Freier Schulen in Österreich gemeinsam eine Klage beim Verfassungsgerichtshof ein – mit dem Ziel der finanziellen Gleichstellung mit den konfessionellen Privatschulen in Österreich. Edgar Hernegger, Bundeselternsprecher der österreichischen Waldorfschulen und Mit-Initiator der Klage nennt diese einen „Akt der Notwehr“. Rainer Wisiak sprach mit ihm über die Gründe für deren Einreichung sowie zum aktuellen Stand der Klage.

Herr Hernegger, vor 25 Jahren haben schon einmal nichtkonfessionelle Privatschulen eine Klage beim Verfassungsgerichtshof eingebracht …

… die damals aufgrund formaler Mängel scheiterte.

Ist dieses Mal die Vorgehensweise eine andere?

Nun, zum einen sind wir dieses Mal breiter aufgestellt, es klagen insgesamt doch 38 Privatschulen und drei Verbände, zum anderen werden wir dieses Mal von einem erfahrenen Rechtsanwalt begleitet, den wir uns aufgrund einer großzügigen Spende von Lothar Trierenberg – einem Elternteil der Waldorfschule Wien-Mauer – zu eben diesem Zwecke leisten können. Dazu muss aber noch lobenswert gesagt werden, dass Rechtsanwalt Wolfram Proksch uns mit leistbaren Stundensätzen unterstützt, weil ihm unser Anliegen am Herzen liegt und er von dessen Berechtigung überzeugt ist.

Wer koordiniert diese Klage beim Verfassungsgerichtshof?

Die „Aktion“ wird von einem Kernteam von „Freie Schulwahl“, das aus 6 – 8 Personen aus den Verbänden Waldorfbund, PBÖ und Förderverband besteht, koordiniert. Dieses Team hat auch die beiden Bürgerinitiativen der vergangenen Jahre mit über 30.000 Unterschriften koordiniert. Alle dort engagierten Personen arbeiten, wie auch ich, ehrenamtlich.

Was ist das konkrete Ziel der Klage? 

Aktuell kostet laut OECD ein Kind im Primary-Care-Sektor im öffentlichen Schulsystem pro Schuljahr den österreichischen Staat 9.500 Euro. Die konfessionellen Schulen haben aufgrund des Konkordat-Abkommens einen Rechtsanspruch auf Subventionen zur Deckung ihres gesamten Personalaufwands, was umgerechnet einer Förderung von 7.300 Euro pro Jahr und pro Kind bedeutet. Die nichtkonfessionellen Privatschulen hingegen können lediglich um jederzeit widerrufbare Ermessensförderungen ansuchen, die nach nicht nachvollziehbaren Kriterien intransparent und willkürlich vergeben werden – was aktuell einer Förderung pro Kind und pro Jahr in der Höhe von 750 Euro entspricht, will heißen: die konfessionellen Privatschulen werden um das Zehnfache (!) höher gefördert als die nichtkonfessionellen Privatschulen. Gegen dieses Ungleichgewicht wollen wir ankämpfen und haben deshalb beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Gleichstellung mit den konfessionellen Privatschulen eingereicht.

In einer Presseaussendung haben Sie diese Klage einmal als einen „Akt der Notwehr“ bezeichnet …

Nun, seit 2012 ist das Budget zur Förderung von nichtkonfessionellen Privatschulen nicht erhöht worden – gleichzeitig ist die Zahl der Schüler an Schulen in freier Trägerschaft (aktuell 6.161) aber stark angestiegen. Das heißt: muss die gleiche Fördersumme an immer mehr Schüler aufgeteilt werden, kommt es de facto zu einer Kürzung pro Schüler pro Jahr. In konkreten Zahlen ergibt das seit 2012 eine Kürzung pro Schüler und pro Jahr um 25 Prozent – was in den vergangenen Jahren nun schon zum finanziellen Kollaps einiger freier Schulen oder zum Verlust von pädagogischer Qualität geführt hat.

Der Grund für diese massive Schlechterstellung nichtkonfessioneller Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht in rechtlicher wie finanzieller Hinsicht ist für uns nicht nachvollziehbar und sachlich unbegründet. Ein Beispiel: Würde die gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft der Mormonen eine Schule mit Öffentlichkeitsrecht gründen, müsste der Bund für deren Personalkosten aufkommen. Eine Waldorfschule mit Öffentlicheitsrecht hingegen geht leer aus. Das ist einfach nicht nachvollziehbar!

Was ist seit dem Einbringen der Klage beim Verfassungsgerichtshof geschehen? Was ist der aktuelle Stand der Dinge? 

Ende März 2017 wurde unsere Klage vom VGH vorläufig zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, dass die freien Schulen ja die Möglichkeit hätten, um Subventionen im Sinne des §21 PrivSchG. anzusuchen und erst nach der Ablehnung der Anträge klagen könnten. Die sehen wir als realitätsfern an, da ja das Bildungsministerium mehrfach erklärt hat, unseren Schulen auf Basis des PrivSchG nicht fördern zu können und außerdem ja dafür keine finanziellen Mittel zur Verfügung stünden.

Wir werden also in den nächsten Wochen Förderanträge an das BMB stellen. In welcher Form, wessen Inhalts und von wievielen Schulen – dazu laufen momentan intensive Gespräche. Die Klage wird auf jeden Fall weiter betrieben, aber bis zur Neueinbringung wird es sicher noch ein Jahr dauern, müssen wir doch vorerst die (wahrscheinlich) ablehnenden Bescheide des BMB abwarten bzw. diese mittels Versäumnisbeschwerde einklagen.

Parallel dazu arbeiten wir intensiv daran, die Zustimmung zu unseren Anliegen durch Kontakte zu Medien, Politik und Bildungsexperten zu erhöhen. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, in neuen Politikkonstellationen eine Mehrheit für uns zu finden, auf jeden Fall wollen wir einer möglichst breiten Öffentlichkeit vermitteln, dass die Diskriminierung unserer Schulen in Zeiten der Schulautonomie nicht mehr akzeptabel ist.

Eine neue Politikkonstellation scheint sich ja – Stichwort Neuwahlen – in naher Zukunft zu ergeben. Bei welchen Parteien finden die Anliegen der nichtkonfessionellen Privatschulen denn Gehör?

Die Bildungsprogramme von den NEOS und den Grünen würden zweifellos zu einer echten Bildungsreform führen und beinhalten die Gleichberechtigung unserer freien Schulen. Interessanterweise hat sich auch die FP dezidiert und mehrfach für ein Ende der Diskriminierung nichtkonfessioneller Privatschulen ausgesprochen.

Die SPÖ lobt zwar unsere innovativen Ansätze, fürchtet aber eine private Konkurrenz für die Staatsschulen – und übersieht dabei, welches Potential unsere Schulen für eine solidarische, freie, kritische und selbstbewusste Bevölkerung hat.

Die ÖVP wäre mit ihren Grundsätzen von Freiheit, Selbstverantwortung und Eigeninitiative eigentlich ein natürlicher Verbündeter freier autonomer Schulen, sie hat aber schon lange keinen Zukunftsplan mehr für Österreichs Bildungssystem und verteidigt den Status Quo eisern.

In einem Interview meinte Rechtanwalt Proksch, dass die freien Schulen mit ihrer Klage zwar einen langen Atem brauchen, sich mit ihrem Anliegen und ihrer Klage aber letztlich durchsetzen werden, da diese Ungleichbehandlung nicht zu halten sei. Teilen Sie seinen Optimismus?

Trotz aller Rückschläge bin auch ich optimistisch. Die vielen uns unterstützenden Berichte der letzten Monate in den Medien verschafften uns Rückenwind, machten unsere Diskriminierung einer breiten Öffentlichkeit sichtbar. Nach den Wahlen am 15. Oktober wird es eine neue Regierung geben, die uns vielleicht besser gesinnt ist – aber unabhängig davon wird unsere VGH-Klage weiter betrieben.

Wichtig wäre, dass möglichst viele der 38 bisher klagenden Schulen auch weiter gemeinsam bei der VGH-Klage kooperieren – auf einem mühsamen Weg, der uns aber doch zum Ziel bringen wird: Dem Ende der Diskriminierung unserer Schulen in freier Trägerschaft.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Gerne.